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Baby-led weaning

Mit ihrem Konzept des „baby-led weaning“ (kurz BLW) hat die Hebamme und Stillberaterin Gill Rapley einen Trend ausgelöst, der ausgehend von Großbritannien mittlerweile ganz Europa erreicht hat. Worum geht es? Rapleys Ansatz zufolge gelingt dies am besten, wenn Eltern vollkommen auf klassische Beikost in Form von Brei oder Püree verzichten und ihren Kindern stattdessen gleich Lebensmittel in handlichen, etwa faustgroßen Stücken anbieten.

Dies soll dem Nachwuchs einerseits neue Geschmackswelten eröffnen, andererseits dazu führen, dass das Baby den richtigen Zeitpunkt des Abstillens sozusagen selbst bestimmt. „Weaning“ ist der englische Ausdruck für entwöhnen, im Zusammenhang mit Babys versteht man darunter meist das Abstillen also die Entwöhnung von der mütterlichen Brust. 

Fingerfood statt Brei

Das zugrunde liegende Prinzip des BLW ist relativ simpel: Babys experimentieren und entdecken gerne. Diesen natürlichen Drang können sich Eltern zu Nutze machen, wenn sie damit beginnen, ihren Nachwuchs mit Beikost zu versorgen. Püriertes Obst und Gemüse oder vorgefertigte Breis mögen vielleicht ganz praktisch sein, für Säuglinge sind sie laut Rapley jedoch gänzlich unspannend. Baby-led weaning sieht daher vor, den Kindern Lebensmittel in fester oder leicht gekochter Form anzubieten. Das könnte beispielsweise eine gekochte Karotte, ein durchgegartes Stück Fleisch, eine Banane in Form einer Schnitte oder ein Chips-großes Kartoffelstück sein. Das Füttern mit dem Löffel fällt weg, die Lebensmittel werden einfach nur auf einen Teller oder direkt auf die Ablage des Kinderstuhles gelegt. Anschließend darf der Säugling alle ihm angebotenen Nahrungsmittel angreifen, ablutschen oder daran kauen. Wichtig sind dabei stets die Beschaffenheit und die Größe. Babys sind erst ab einem gewissen Alter in der Lage (meist zwischen dem 6. und 9. Lebensmonat), Dinge mit dem so genannten Pinzettengriff zu erfassen. Bevor sie Gegenstände also richtig gut aufheben und einhalten können, beherrschen sie lediglich einen simplen Greif-Reflex. Damit sie dennoch in der Lage sind, Lebensmittel an sich zu nehmen und zum Mund zu führen, sollten diese in ausreichend große Stücke geschnitten werden. Bestimmte Gemüsesorten wie Brokkoli oder Karfiol eignen sich auch sehr gut für die ersten Baby-led weaning Versuche, da die kleinen Finger in den Röschen einhaken können.

Grundlagen

Wer Baby-led weaning besser verstehen möchte, der sollte einen Blick auf Rapleys Ausgangsüberlegungen werfen. Sie hat 5 Ansätze formuliert, die grundlegend für all jene Eltern sind, die in der Beikost-Phase gänzlich auf Brei verzichten möchten.

    1. Stillen als ideale Basis: wer sein Baby stillt, der bereitet es damit optimal auf die Aufnahme von festen Lebensmitteln vor. Säuglinge fordern selbstbestimmt die Brust und entscheiden eigenmächtig darüber, wie lange sie trinken und wie viel Milch sie aufnehmen wollen. Dieses Prinzip wird mit Baby-led weaning konsequent weitergeführt. Außerdem kommen sie über die Muttermilch bereits mit verschiedenen Geschmäckern in Verbindung, je nachdem welches Essen die Mutter zu sich genommen hat. Hauptnahrungsquelle ist während der Beikostphase stets Muttermilch. Die Still-Mahlzeiten sollen schrittweise und je nach Empfinden von Mutter und Kind reduziert werden.
    2. Den Entdeckergeist des Babys verstehen: Säuglinge möchten die Welt um sich herum erobern und das am liebsten sofort. Es ist die Neugier, die Kleinkinder motiviert, immer wieder Neues auszuprobieren und zu entdecken. Das lässt sich auch auf die Nahrungsaufnahme übertragen. Wenn man einem Baby verschiedene Lebensmittel anbietet und es darüberhinaus selbst auswählen lässt, wann es welches Gemüse/Obst nimmt, wird dadurch der Entdeckergeist geweckt.
    3. Sorgenfreies Anbieten von Lebensmitteln: die Angst vieler Eltern, dass sich der Nachwuchs verschlucken könnte, entkräftet Rapley mit folgendem Argument. Sie geht davon aus, dass die Gefahr des Verschluckens sich verringert, wenn Babys das Essen im wahrsten Sinne des Wortes selbst in der Hand haben und kontrollieren können wie schnell oder häufig sie ein Lebensmittel kauen oder in den Mund schieben.
    4. Gesunde Ernährung verankern: da Säuglinge im Rahmen des BLW bereits sehr früh viele unterschiedliche Lebensmittel kennenlernen, sind sie später offener für gesunde Lebensmittel. Ellen Townsend und Nicola J. Pitchford wollen mit einer Studie auch herausgefunden haben, dass Kinder, die mit BLW abgestillt wurden, eine größere Präferenz für Kohlehydrate und Gemüse zeigten, als jene, die überwiegend mit Brei gefüttert wurden.
    5. Der Mahlzeit ein Getränk hinzufügen: zu Beginn der Beikostphase decken Babys ihren Flüssigkeitsbedarf über die Muttermilch. Eltern können zusätzlich zu den einzelnen Gemüse-/Obststücken jedoch bereits einen Trinkbecher mit abgekochtem, abgekühltem Wasser anbieten. Wenn das Baby nicht trinkt, sondern vorerst nur mit dem Becher spielt, ist das auch vollkommen in Ordnung.

Vorteile

Die Zubereitung von Brei und zahllose Versuche, das eigene Kind mit dem Löffeln zu füttern, entfallen. Darüberhinaus wird dem Nachwuchs die Möglichkeit gegeben, selbst und frei über die Aufnahme von Lebensmitteln zu entscheiden. Erfahrungsberichten zufolge können sich BLW-Babys später auch leichter auf die festen Familienmahlzeiten wie z.B. Nudeln mit Sauce oder Gemüseauflauf einstellen. Außerdem lernen sie bereits im frühen Alter verschiedene Gerüche, Geschmäcker und Texturen kennen. Dies erhöht die Bereitschaft für eine abwechslungsreiche Ernährung.

Nachteile

Baby-led weaning erfordert viel Geduld und Gelassenheit. Sind Babys nämlich selbst für die Aufnahme ihrer Nahrung verantwortlich, entsteht dabei sehr viel Schmutz. Flecken und Essensreste auf Kleidung, Stühlen, Tisch und Boden sind nicht zu vermeiden. Auch die Menge der Abfälle bzw. Lebensmittel, die nach dem „Experimentieren“ entsorgt werden muss, ist nicht zu unterschätzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Säuglinge bei ihren ersten Versuchen tatsächlich schon Nährstoffe zu sich nehmen, ist darüberhinaus äußerst gering. Sie sehen die angebotenen Lebensmittel in erster Linie als Spielzeug. Eltern müssen also auch lernen, damit umzugehen und die Kinder einfach gewähren zu lassen. Denn Hilfe von außen, z.B. wenn das Baby Probleme beim Essen hat, ist beim Baby-led weaning nicht vorgesehen.

Dos …

      • Babys sollten ihre Lebensmittel immer dann erhalten, wenn die ganze Familie isst bzw. wenn die Eltern Zeit haben, gemeinsam mit dem Kind am Tisch zu sitzen.
      • Das Angebot an Lebensmitteln sollte abwechslungsreich sein – gegebenenfalls können Babys das essen, was der Rest der Familie isst.
      • Während des Essens muss das Baby gut gesichert, in aufrechter Position sitzen. Die Fähigkeit, den Kopf alleine halten zu können, ist Voraussetzung.
      • Eltern können den Zeitpunkt für die Beikost individuell bestimmen – üblicherweise startet man nicht vor dem 6. Lebensmonat.
      • Außerdem wichtig: den Essplatz entsprechend auszurüsten. Waschbare Lätzchen, abwaschbare Tischdecken oder Sets und eine Plastikmatte/Plastikdecke rund um den Kinderstuhl erleichtern das Saubermachen nach dem Essen.

… und Don’ts

    • Nicht empfehlenswert sind Fertiggerichte, Fast-Food, zuckerhaltige, salzige, scharfe oder fettige Speisen.
    • Das Kind soll die Nahrung selbst aufnehmen, Erwachsene dürfen nicht helfen.
    • Säuglinge dürfen mit den Lebensmitteln niemals alleine gelassen werden.
    • Eltern sollten Babys die Zeit geben, die sie beim Essen brauchen und sie nicht bedrängen.
    • Lebensmittel nicht zu klein oder mundgerecht schneiden. Große Chips-artige oder faustgroße Stücke eignen sich besser.

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